Jesus sprach aramäisch - eine der Ursprachen des Nahen Ostens. Mit welcher Fassung des Evangeliums wir und auch befassen, Jesus sprach die Worte, die ihm zugeschrieben werden, auf aramäisch. Dies gilt vor allem für das Gebet, das er seinen Jüngern gab, unser heutiges Vaterunser. Um es zu singen, benutzen wir die Form des Gebets, die in den aramäisch sprechenden Kirchen der Welt, einschließlich der assyrischen und syrisch-orthodoxen, benutzt wird.
Aramäisch unterscheidet sich sehr deutlich vom Griechischen, der Sprache, von der die westeuropäische Christenheit ihren Ursprung herleitet. Jedes aramäische Wort kann auf mehrere unterschiedliche Weisen interpretiert werden. Das gilt insbesondere für die Worte eines Mystikers oder eines Propheten. In der jüdischen Tradition wird diese Art mehrfacher Interpretation, bei der die Übersetzung eine spirituelle Handlung darstellt, Midrasch genannt. In meinen Büchern habe ich fünf oder sechs mögliche Auslegungen des aramäischen Vaterunsers und andere Aussagen Jesu angeboten. Diese können in den Büchern Das Vaterunser, Knaur Verlag und Weisheit der Wüste , Bratt Verlag nachgelesen werden.
Die ursprünglichen Melodien für die verschiedenen Zeilen des aramäischen Gebets wurden 1982/1983 von mir komponiert und waren Teil meines meditativen Einfühlens in das Gebet. Dabei benutzte ich traditionelle nahöstliche Oberton-Methoden. Diese Melodien werden in einem Zyklus der Tänze des Universellen Friedens benutzt. Bei dieser Art des heiligen Rundtanzes werden die Töne und Gefühle der verschiedenen Zeilen mit dem ganzen Körper auf nahöstliche Weise gebetet. Die miteinander verflochtenen Melodien der Musik drücken die miteinander verwobenen Gefühle und Bedeutungen der gesungen Worte aus.
Die wunderschönen Arrangements von Christian Bollmann, die vom Düsseldorfer Obertonchor gesungen werden, bereichern das Gefühl für den vielfältigen Text des Gebets. In dieser neuen Klanglandschaft bewegen sich die verschiedenen Fäden des Gebets und ermöglichen es dem Hörer, in einer Atmosphäre der Heiligkeit zu baden. Vor allem ist das Gebet Jesu auf aramäisch ein Gebet für den Frieden, ein Gebet des Verlangens des Himmels, auf die Erde zu kommen in strahlender Einheit von Welle und Ton, um unser Leben zu bereichern und uns an die Gründe zu erinnern, warum wir gerade jetzt leben.
Weitere englisch sprachige Informationen gibt es auch unter www.abwoon.com direkt bei Neil Douglas-Klotz.
Das Vaterunser / The Lord's Prayer in der aramäischen Ursprache
... nach dem Klang der aramäischen Worte |
... in der Übersetzung von Martin Luther (Matthäus 6:9-13) |
... in einer Übersetzung von Neil Douglas-Klotz |
Abwûn d'bwaschmâja |
Vater unser im Himmel. |
Oh Du, atmendes Leben in allem, Ursprung des schimmernden Klanges. Du scheinst in uns und um uns, selbst die Dunkelheit leuchtet, wenn wir
uns erinnern. |
Nethkâdasch schmach |
Dein Name werde geheiligt. |
Hilf uns einen heiligen Atemzug zu atmen, bei dem wir nur Dich fühlen - und Dein Klang in uns erklinge und uns reinige. |
Têtê malkuthach |
Dein Reich komme. |
Laß Deinen Rat unser Leben regieren und unsere Absicht klären für die gemeinsame Schöpfung. |
Nehwê tzevjânach aikâna d'bwaschmâja af b'arha |
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. |
Möge der brennende Wunsch Deines Herzens Himmel und Erde vereinen durch unsere Harmonie. |
Hawvlân lachma d'sûnkanân jaomâna |
Unser tägliches Brot gib uns heute. |
Gewähre uns täglich, was wir an Brot und Einsicht brauchen: das Notwendige für den Ruf des wachsenden Lebens. |
Waschboklân chaubên (wachtahên) aikâna daf chnân schvoken l'chaijabên |
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. |
Löse die Stränge der Fehler, die uns binden, wie wir loslassen, was uns bindet an die Schuld anderer. |
Wela tachlân l'nesjuna ela patzân min bischa |
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. |
Laß oberflächliche Dinge uns nicht irreführen, sondern befreie uns von dem, was uns zurückhält. |
Metol dilachie malkutha wahaila wateschbuchta l'ahlâm almîn. Amên |
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. |
Aus Dir kommt der allwirksame Wille, die lebendige Kraft zu handeln, das Lied, das alles verschönert und sich von Zeitalter zu Zeitalter
erneuert.
Wahrhaftige Lebenskraft diesen Aussagen! Mögen sie der Boden sein, aus dem alle meine Handlungen
erwachsen. Besiegelt im Vetrauen und Glauben. Amen. |
... und in einer Version von Joachim Ernst Berendt
Mutter-Vater alles Geschaffenen!
Dein Name und Deine Schöpfung sei heilig uns allen
Dein Ewiges Sein wirke in uns.
Christi Liebe geschehe -
auch in mir und durch mich.
Deine Nahrung gib Seele und Leib -
auch den Armen, Unterdrückten, Fremden.
Vergib uns! Wie ich vergebe.
Führe und schütze uns auf all unsern Wegen.
Befreie und heile uns ganz.
Denn Du bist das Sein und die Liebe und das Licht in Ewigkeit.
Amen.
aus: Ein Buch der Wandlung
Zur Entstehung der Abwun CD
Im Sommer 1989 bin ich dem Abwun-Zyklus das erste Mal begegnet. Auf dem Sufi-Musik-Camp in den Schweizer Alpen vermittelten Noor und Akbar Helweg aus Holland dieses klingende Körpergebet, das mich sehr bewegte und seither nicht mehr losgelassen hat. Unmittelbar hatte ich eine Flut von Ideen, wie dieses Werk auf einfachste Weise weiter zu entfalten sei. Ein Jahr später brachte ich die ersten Zeilen in die Arbeit mit dem Oberton-Chor ein, der sofort begeistert reagierte.
1994 setzte ich mich mit Dr. Neil Douglas-Klotz in Verbindung und stellte ihm meine Arbeit dem dem Chor und dem aramäischen Jesusgebet vor. Der Funke war übergesprungen und Neil gab mir die Erlaubnis und den Segen, weiter an Abwun zu arbeiten. 1996 enstand die Komposition der Zwischenteile, und die Ergebnisse mit dem Chor wurden so konkret, daß wir für 1997 eine Produktion und Uraufführung ins Auge fassen konnten. Wir trafen uns im Februar mit Neil Douglas-Klotz in der Nähe von Köln und arbeiteten ein komplettes Wochenende an der inhaltlichen und formalen Vertiefung des Gebetes. Im Zeitraum vom 30. April bis 30. September fanden die Tonaufnahmen mit dem Chor und den Solisten statt, so daß diese CD zur Uraufführung vorliegen konnte. Das Werk gliedert sich dem Gebet entsprechend in acht Hauptteile für
den Chor, die von Prolog, meditativen Zwischenspielen und Epilog für Instrumentarium und Sprecher eingefaßt werden. Den Chor begleiten zwei weibliche und zwei männliche Vokalisten, Ney und Ud, zwei Instrumente des nahen Ostens, verschiedene Trommeln, Gongs, Klangschalen, australisches Didgeridoo und Percussion.
Mein Dank gilt Saadi Neil Douglas-Klotz für die Melodien, seine vertrauensvolle, liebevolle Unterstützung und Kooperation. Dem Oberton-Chor und den Solisten für ihre hingebungsvolle und konzentrierte Arbeit.
Ganz besonders Christoph Schumacher für sein kompetentes und geduldiges Engagement bei den Aufnahmen und der Percussion. Dirk und Petra für die grafische Gestaltung. Rolf und allen, die dieses Projekt ideell und materiell unterstützt haben.
Christian Bollmann
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